Das wundervolle Wörtlein "und"
Description
Text in dieser Folge:
«'Und' lehrt uns, Ja zu sagen.
'Und' erlaubt uns, sowohl als auch zu sein.
'Und' schützt uns vor Entweder-oder.
'Und' lehrt uns, geduldig und langmütig zu sein.
'Und' bewahrt uns vor Schwarz-Weiss-Denken.
'Und' zerspaltet die Gegenwart nicht.
'Und' lässt uns allem gegenüber aufnahmebereit und mitfühlend sein.
'Und' verlangt, dass unsere Kontemplation zur Aktion wird.
'Und' besteht darauf, dass unsere Aktion immer auch kontemplativ ist.
'Und' erlaubt uns, immer beide Seiten zu kritisieren.
'Und' erlaubt uns, immer beide Seiten zu würdigen.
'Und' hilft uns, die eigene dunkle Seite zu sehen und anzunehmen.
'Und' ermöglicht uns, um Vergebung zu bitten und uns zu entschuldigen.
'Und' ist der Weg der Barmherzigkeit.
'Und' macht praktische Liebe im Alltag möglich.
'Und' traut keiner Liebe, die nicht zugleich Gerechtigkeit ist.
'Und' traut keiner Gerechtigkeit, die nicht zugleich Liebe ist.
'Und' ist das eigentliche Geheimnis der Trinität.»
(nach Richard Rohr)
Contemplatio auf Lateinisch bedeutet Betrachtung, Kontemplation. Es geht also ums Sehen. Es geht darum, innerlich zu schauen, etwas mit dem inneren Auge zu sehen. Mystikerinnen und Mystiker haben die Kontemplation darum «Sehen mit dem dritten Auge» genannt. Und sie sagen, dass wir ohne das dritte Auge die Wirklichkeit nicht so sehen, wie sie ist. Wir nehmen die Wirklichkeit nur gefärbt durch unsere eigenen Erfahrungen wahr. Unser Ego legt uns eine Menge Krücken vor, damit wir möglichst gut dazustehen. Aber dadurch nehmen wir Menschen und Situationen nicht so wahr, wie sie eigentlich sind. Und das wäre die Voraussetzung, um wirklich liebesfähig zu werden. Kontemplation bedeutet: Ich übe, dass ich wahrnehmen kann - ungeschützt, achtsam, ohne zu bewerten. Dass ich Situationen zulassen und annehmen kann und sie nicht kontrollieren oder beherrschen muss. Unser Denken ist aber so geprägt, dass wir unterscheiden und urteilen.
Gut - schlecht. Böse - lieb. Freund - Feind, usw. Man könnte in der Geschichte weit zurückgehen, um herauszufinden, warum unser Denken so geprägt ist. Die griechisch-römische Philosophie hat das ganz stark betont. Es gibt eine Wahrheit und wenn A wahr ist, muss B zwangsläufig falsch sein. Die Dualität ist in unserem westlichen Denken sehr stark ausgeprägt.
Im hebräischen Denken können Widersprüche zum Beispiel einfach nebeneinander stehen. Häufig haben wir dann das Bedürfnis, das sofort aufzulösen. Vielleicht geht es dir auch so, dass dir Widersprüchlichkeiten Mühe bereiten. Wenn im Christentum über Gott gesprochen wird, geschieht das aber häufig in Form von Widersprüchlichem. Ein Blick in die altkirchlichen Bekenntnisse zeigt das gut:
- Jesus ist ganz Gott und ganz Mensch.
- Gott ist einer und doch drei.
- Maria ist Jungfrau und Mutter.
Wir kommen dem göttlichen Geheimnis näher, wenn wir Widersprüchlichkeiten sehen und sie aushalten. In dieser Folge hilft uns in der geführten Meditation ein Text von Richard Rohr dabei, der um das kleine verbindende Wort 'und' kreist.
Hast du eine Rückfrage oder eine Anregung zu dieser Ausgabe von «still.leben»? Dann melde dich via Webformular: erf-medien.ch/podcast. Wir freuen uns über dein Feedback.
«still.leben» ist ein Podcast von ERF Medien Schweiz in Zusammenarbeit mit netzkloster.ch.
Autor: «netz-abt» Simon Weinreich
Sprecherin: Andrea Jost (andrea-jost.ch)



